Überwachungskapitalismus? Nein danke.
Ich nutze Facebook viel, um Dinge zu teilen, die mich beschäftigen. Um mit Freunden und Bekannten in Verbindung zu bleiben. Um mitzubekommen, was sie bewegt und interessiert. Um Anknüpfungspunkte zu finden und zu bauen. Dafür ist Facebook super.
Gleichzeitig bin ich überhaupt nicht einverstanden mit dem Geschäftsmodell. Ich möchte nicht, dass Facebook (und Google und Microsoft und und und) mir im Netz hinterher spioniert, um alle Infos, die es findet an Dritte zu verkaufen.
Ein hoher Preis
Shoshana Zuboff (Autorin von “#Überwachungskapitalismus”) hat das mal so schön verglichen mit folgendem Szenario: Du bekommst ein Haushaltsgerät geschenkt. Bei Lieferung kommen ein paar mehr Leute mit und fangen an deine ganze Wohnung zu durchsuchen. Alle Fotos anzuschauen. In den Kühlschrank und überhaupt in alle Schränke zu gucken. Dein Adressbuch zu fotografieren. In deinen Briefkasten zu schauen. Du bist damit überhaupt nicht einverstanden, hast dem aber anscheinend zugestimmt, als du dir das Küchengerät hast schenken lassen (der Schenkvertrag war 100 Seiten lang, den hast du freilich nicht gelesen).
So ist das nämlich, wenn man Facebook nutzt. Oder LinkedIn. Oder Google. Oder oder oder. Was vielen nicht bewusst ist: Auch wenn sie als Facebook-Nutzer nicht direkt auf Facebook unterwegs sind, werden sie von Facebook im Internet getrackt. Jede Website, auf der es das sogenannte Facebook-Pixel gibt oder einen Facebook Like-Button, “berichtet” an Facebook. So funktioniert Social Media Marketing. Deshalb ist die Werbung so passgenau. Deshalb mache ich das nicht, weil es eine Sauerei ist.
Ist doch halb so wild? Dann sieht man wenigstens Werbung, die einen interessiert? Ja, aber um welchen Preis. Wir machen uns dadurch hochgradig manipulierbar. Wenn Algorithmen uns so gut kennen, dass sie unsere nächste Handlung voraussagen können, sind wir leichte Beute (siehe Cambridge Analytica).
Ich möchte das selbst entscheiden
Wen das nicht stört, bittesehr. Der soll gerne weiterhin mit seinen Daten bezahlen (das ist überhaupt nicht zynisch gemeint).
Ich möchte aber wählen können. Und ich bezahle viel lieber mit Geld für diese Dienste, wenn ich dann sichergehen kann, dass die Datenkraken mich mit ihren Saugnäpfen in Ruhe lassen.
Ich möchte mich auch nicht von Facebook erpressen lassen für mehr Reichweite (“Der Algorithmus will ein Video.” “Der Algorithmus will, dass du so und so oft interagierst mit anderen. Sonst erscheinen deine Posts nicht im Newsfeed anderer.”), das ist genauso Teil der Manipulation. Mache ich auch nicht. Ich lasse mich nicht von einem Algorithmus zu irgendwas erziehen, soweit kommt’s noch.
Wir haben viel zu verlieren
Facebook und all die anderen tollen Apps sind nicht gratis. Die kosten deine, meine, unsere Privatsphäre. Und am Ende unsere Freiheit. Wir haben keine Möglichkeit uns dagegen zu wehren, außer diese Infrastruktur nicht mehr zu nutzen (da gibt es diesen interessanten Begriff “negativer Netzwerkeffekt”, der beschreibt, wie ausgegrenzt man schnell ist, wenn man nicht dabei ist. Die Schule meines Sohnes kommuniziert z. B. nur über WhatsApp.). Oder permanent auf der Hut zu sein, einen VPN-Client zu nutzen, Cookies-Einstellungen zu bearbeiten.
Bis jetzt. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass Facebook seine Monopolstellung ausnutzt und die Nutzer zwingt mit seinem Geschäftsgebaren einverstanden zu sein.
Das heißt für die nächsten Monate erst mal gar nix — was die Sprecherin von Facebook schnell war zu versichern.
Aber es macht mir Hoffnung, es tut sich was im wilden Westen des Internets. Babysteps.